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Tiefencastel - Livigno

14. Juni 2018
Die ersten Sonnenstrahlen erhellen mein Zimmer und wecken mich. Noch ist es zu früh für das Frühstück und so gehe ich nach draussen und schaue mir die nähere Umgebung an. Hoch oben im Felsen rattert ein Zug Richtung Chur. Die Wagen sind stark geneigt. Man befürchtet, sie könnten jeden Moment aus dem Schwergewicht fallen und über die Felsen abstürzen.
Ab 07:30 Uhr gibt es im Hotel Frühstück. Ich bin der Ansicht, Dominique und ich haben uns für diese Zeit verabredet. Dominique ist aber der Ansicht die vereinbarte Zeit sei 07:45 Uhr. Dominique beobachtet von seinem Zimmer wie ich über den Dotfplatz spaziere und kommt ebenfalls nach unten. Da wir nun beide bereit sind um zu frühstücken können wir gleich ins Restaurant gehen. Es ist 07:30 Uhr. Das Buffet ist reichlich und Dominique findet sogar Nutella in Portionenverpackungen. Wir stärken uns für den ganzen Tag. Die heutige Tagesetappe ist distanzmässig nicht sehr anspruchsvoll. Es erwarten uns aber einige Pässe und viele eng zu fahrende Spitzkehren. Wir fahren zur einzigen Tankstelle im Ort um die Motorräder zu tanken. Um 08:45 Uhr verlassen wir Tiefencastel. Via Alveneu, Schmitten und Wiesen fahren wir nach Davos. Die Abzweigung auf den den Flüelapass ist gut ersichtlich und nicht zu verpassen. Die Sonne scheint, nur wenige Restwolken sind am Himmel und es verspricht einen warmen Frühsommertag zu werden. Trotzdem ziehen wir die warmen Handschuhe an, da auf den Pässen noch Schnee liegt und die Temperaturen entsprechend tief sind. Auf dem Flüelapass gönnen wir uns einen Kaffee. Seit dem letzten Kaffee sind schon fast zwei Stunden vergangen und ein weiteres warmes Getränk kann sicher nicht schaden. Nach dem Verlassen des Restaurants suchen wir noch die Toilette auf, die kostenpflichtig ist. Beide bezahlen wir je einen Franken. Nach dem Verlassen der Toiletten kommt der Kellner vom Restaurant und bringt uns je einen Franken. Im Restaurant hätte es auch Toiletten gehabt (im 1. Stock) und als Gast muss man (logischerweise) nichts bezahlen. Eine sehr nette und aufmerksame Geste und ein grosses Lob an die Betreiber des Flüela-Hospitzes. Einige Fotos werden geschossen, die Motorräder wieder gestartet und schon sind wir unterwegs zum nächsten Pass.
Wie vereinbart halten wir auf jedem Pass an und erfassen mit der Kamera die Umgebung. Während wir Fotos schiessen sehe ich eine Gruppe von Chinesischen Touristen, die auf die Toiletten wollen. Leider haben sie keine Schweizerfränkli dabei und mit der Kreditkarte kann man an diesem Ort keinen Zutritt erlangen. Die von einem Bein zum anderen tänzelnden Frauen tun mir leid und so schenke ich ihnen den Franken, der wir auf der Flüela zurückerstattet bekamen. Ein Chinese (ebenfalls Mitglied dieser Reisetruppe) scheint das gleiche Problem zu haben und bekommt das zweite Frankenstück geschenkt. Leider ist er beim Öffnen der Türe nicht so geschickt und lässt die selbige wieder ins Schloss fallen. Nun, junger Mann, jetzt musst Du selber eine Lösung finden.
In Santa Maria im Münstertal biegen wir links ab Richtung Münster und die schweizerisch-italienischen Grenze. Sowohl schweizerische wie auch italienische Zöllner sind in ihren Minibüros. Aber keiner hat Lust sich zu erheben und sie winken uns einfach vorbei. In Glurns wechseln wir von der SS41 auf die SP50 die uns bis nach Prad am Stilfserjoch bringt. Bei der Einmündung auf die "Strada del Passo di Stevio" ist eine Verkehrstafel "Allgemeines Fahrverbot". Ups, Strasse gesperrt? Jeder und jede fährt aber trotzdem weiter. Unterhalb der Verkehrstafel ist ein A4-grosses weisses Zusatzschild. Vollbeschrieben mit einem halben Roman. Unmöglich den Text während der Fahrt zu lesen. In diesem Falle auch nicht so wichtig. Es ist bloss ein Hinweis, dass am nächsten Samstag die Strasse aufs Stilfser Joch für ein Fahrradrennen gesperrt ist.
Bis nach Trafoi steigt die Strasse stetig an. Nur wenige Kurven und Spitzkehren sind notwendig um den Höhenunterschied zu überwinden. Nun aber folgt eine Spitzkehre der anderen. Bei den Rechtskurven muss man jeweils bis zum äusseren Rand ausholen um dann so nah wie möglich am Scheitelpunkt die Kurve zu erwischen. Immer mit einem Blick nach oben um zu sehen, ob gleichzeitig jemand talwärts fährt. Viel Velofahrer kämpfen sich den Pass hinauf, viele Motorradfahrer haben dasselbe Ziel wie wir. Trotzdem wird sehr rücksichtsvoll gefahren und jeder gibt dem anderen genügend Raum um die engen Kurven zu fahren. Vor mir ist eine Gruppe Motorradfahrer aus Ungarn. Der zweitletzte der Gruppe bleibt in einer Kurve fast stehen. Der Fahrer hinter ihm hat zu dicht aufgeschlossen und fährt seinem Kollegen leicht ins Hinterrad und kommt somit zu Fall. Dadurch blockiert er aber seinen Vordermann, der nun ebenfalls sein Motorrad auf die Strasse ablegt. Ich umfahre die zwei, parkiere meinen Töff und eile den zwei Unglücksknaben zu Hilfe. Dominique und noch zwei andere Fahrer haben ebenfalls angehalten und alle helfen den Jungs die Motorräder wieder aufzustellen. Verletzt ist keiner der Fahrer und schon bald können alle die Fahrt fortsetzten. Wir nun aber vor der ungarischen Gruppe! Auf dem Pass angekommen (2758müM) parkieren wir unsere Bikes und laufen die Strasse etwas zurück um Fotos von den Serpentinen zu machen. Bei Bruno, einem Betreiber einer kleinen Imbisstube, bestellen wir eine Wurst mit einem Vollkornbrot. Nun wird aber die Wurst nicht einfach so als Wurst verkauft. Bruno zerlegt die Wurst längsseitig und fast wie beim Filetieren eines Fisches macht er aus der Wurst ein flaches Stück Fleisch das er nun auf dem Grill erhitzt. Ins aufgeschnittene Fladenbrot kann man nun noch Sauerkraut, Zwiebeln und Senf haben. So zubereitet, ist aus der Wurst eine vollständige Mahlzeit geworden. Ich habe auf den Sauerkraut verzichtet, Dominique jedoch hat "mit allem" bestellt und hat nun fast Mühe um das Mittagessen zu verdrücken. Die Passstrasse hinunter Rihtung Bormio ist mindestens so anstrengend wie die Fahrt hinauf. Eine Kurve folgt der nächsten Kurve um dann wieder längeren geraden, steilabfallenden Wegstrecken Platz zu geben. Dank den vielen Kurven sind wir durchschnittlich betrachtet nie zu schnell unterwegs.
Kurz vor Bormio müssen wir in einer Spitzkehre rechts abbiegen Richtung Livigno. Genau in der Spitzkehre haben einige Motorradfahrer angehalten. Wohl um zu kommentieren und kritisieren welcher Fahrer wie die Kurve fährt. Im Bemühen den Jungs meinen ausgezeichneten Fahrstil zu demonstrieren achte ich nicht auf den Wegweiser. Die Kurve bin ich sauber gefahren, da kann keiner was sagen, den Wegweiser aber habe ich übersehen. Nach den nächsten zwei Kurven erreichen wir die ersten Häuser von Bormio und mir wird klar, dass ich die Abzweigung verpasst habe. Schnell wenden, die 200 Meter zurück fahren und nun links abbiegen in Richtung Livigno.
Eine schmale, geteerte Strasse ohne Mittelinie schlängelt sich der Bergflanke entlang ins Tal und auf den nächsten Pass. Es ist der Passo di Foscano. Ein Hotel mit Bar und Restaurant und eine Kirche sind unterhalb des Passes erbaut. Auf der Passhöhe aber steht ein Zollhaus. Nur eine Grenze ist nicht vorhanden. Welche Funktion das Zollhaus hat ist uns zu dem Moment nicht klar. In Livigno gibt es viele "Duty Free Shops" und dieses Zollhaus muss wohl in diesem Zusammenhang stehen.
Duty-free-Shopping und damit der Kauf von Franchise-Waren ist auf einen bestimmten Betrag begrenzt, während für alle anderen Artikel ein Mindestbetrag festgelegt wurde. Bei Überschreiten dieses Mindestbetrags verzollt man den Kauf, sobald man Livigno verlässt.
Am frühen Nachmittag fahren wir in Livigno ein, stellen unserer Motorräder beim Parkplatz der Scuola Media S. Maria ab und gehen vis-a-vis ins Cafe Smart. Gemütlich sitzen wir an der Sonne, geniessen unsere Getränke und studieren auf dem Handy die Route bis zu unserem Hotel. Müsste eigentlich ganz in der Nähe sein. Allerdings ist die Strasse wegen Baustelle gesperrt was uns zu einem Umweg zwingt. Wieder auf den Motorrädern suchen wir den Weg zum Hotel. Die Bautätigkeit in dieser Ortschaft ist enorm. Viele Strassen sind aufgerissen. Strassen, die noch OK sind haben dafür ein Fahrverbot. Gar nicht so einfach den richtigen Weg zu finden. Mit Google Map schaffen wir es schliesslich doch. An der Rezeption (Hotel Helvetia) werden wir freundlich empfangen. Wir bekommen beide je ein Doppelzimmer, da es im Hotel gar keine Einzelzimmer gibt. Nach einer Dusche erkunden wir noch einmal die Ortschaft zu fuss. Bald haben wir fast das Ende von Livigno erreicht. Es folgen nur noch private Häuser und Baustellen auf Strassen. Um nicht denselben Weg zurück laufen zu müssen überqueren wir die Hauptstrasse und spazieren einem kleinen Bach entlang bis zum Mottolino Fun Park wo wir abbiegen und wieder in Richtung Dorfkern laufen. Wir beschliessen noch einmal einen Drink im Cafe Smart zu nehmen. Livigno ist klein aber nicht klein genug, dass wir uns nicht "verlaufen" könnten. Wir laufen und laufen und denken nun sollte das Cafe endlich sichtbar sein. Ist und wird es nicht, da wir auf der falschen Strasse laufen. Wieder hat uns eine Baustelle vom richtigen Weg abgehalten. Google Map sagt, 600 Meter zurück und dann links abbiegen. Dominique bestellt für sich einen Drink, Aperol sauer, und ich nehme einen Kaffee. Wie wir so unsere Getränke geniessen kommt die Serviceangestellte an unseren Tisch und stellt eine kleine Holzplatte mit Trockenfleisch und Brot ab. Es reicht für uns beide je 4 Stück Brot und Trockenfleisch und schmeckt ausgezeichnet. Ich koste von Dominiques Aperitif und finde auch diesen sehr schmackhaft und erfrischend. Wir sind nicht in Eile, draussen zu sitzen ist sehr angenehm und weil es gerade so schön passt bestelle ich auch einen Aperol. Die Serviceangestellte bringt eine zweite Platte mit Brot und Fleisch. Ich glaube aber nicht, dass es zu jedem Drink so eine Platte gibt. Es ist eher, dass sie bei Dominique Eindruck schinden will. Nun haben wir quasi bereits genügend gegessen und können auf das Abendesen verzichten. Im Hotel ruhen wir uns nach dem langen, langen Spaziergang etwas aus um später (20 Uhr) im Bivio Bistrot einen Drink zu nehmen und der Musik zu lauschen, die wir schon vom Hotel aus hören können. Um acht Uhr ist leider die Musik verstummt, die Sonne unsichtbar hinter den Bergkämmen verschwunden und entsprechend die Luft wieder um einiges kühler. Im Restaurant gönnen wir uns aber noch ein Glas Rotwein. So bekommen wir die richtige Bettschwere um schlafen zu können. Auch in diesem Ort ist das Nachtleben ausserhalb der Hochsaison inexistent und somit bleibt uns nichts anderes übrig als zeitig ins Bett zu gehen. Damit es am anderen Morgen keine Zweifel gibt legen wir die Frühstückszeit auf 07:45 Uhr fest.
Flüelapass
Dominique mit klammen Finger Pool-dancing auf dem Flüelapass (2'383 m ü. M.) Restaurant, Hotel und Kiosk
Ofenpass
Passhöhe Ofenpass (2149 m ü. M.) Passhotel Waldbrandgefahr
Stilfser Joch
Spitzkehren auf's Stilfser Joch (2758 m ü. M.) Schipisten immer noch offen Kontrolle der Fotos
Rolf (Honda) klar vor Dominique (Kawasaki) Scheitelpunkt der Kurve im Visier Gerade, saubere Linie von Dominique
Downhill, Stilfser Joch Dominique lässt mir den Vortritt Dominique nach dem Schneefeld
Passo di Foscagno
Wieder auf fast 2300 müM Zoll auf der Passhöhe (2291 m ü. M.) Grenze passiert, weiter Richtung Passo d'Eira
Passo d'Eira
Ohne viel Kurven auf Passo d'Eira (2211 m ü. M.) Passo d'Eira Ein paar Kurven Richtung Livigno
Livigno
Schipiste beim Hotel Hotel Helvetia Dominique's Notvorrat
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