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Flims - Santa Maria im Münstertal

12.09.2018

Nach einer langen Nacht stehe ich am frühen Morgen auf dem Balkon, rauche eine Zigarette und schaue dem spärlichen Treiben auf der Strasse zu. Ein einsamer Fussgänger schlendert in meine Richtung. Ein Fussgänger? Richtig, aber nicht einfach nur ein Fremder, der zur Arbeit oder was man auch immer zu dieser Zeit tun kann. Dominique, mit nassen Haaren, spaziert seelenruhig in Richtung des Hotels. "Hallo, wo kommst den Du her?" rufe ich ihm zu. Dominique hat sich schlau gemacht und geschaut, was wir an diesem Morgen noch unternehmen könnten und ist auch fündig geworden. Beim gemeinsamen anschliessenden Frühstück erzählt er mir von einem See, den man zu Fuss erreichen kann.
Der Spaziergang zu dem See verläuft durch einen Wald. Am rechten Wegrand ist ein kleiner Bach. Der Verlauf dieses Baches ist etwas zu unnatürlich. Offensichtlich wurde da von einem Landschaftsgärtner nachgeholfen um den Weg attraktiver zu machen. Auf eine Distanz von etwa 1'400 Meter beträgt der Höhenunterschied 121 Meter. Wobei der Beginn und das Ende des Weges nur wenig Gefälle aufweisen, das Mittelstück aber entsprechend steil ist. Die kleine Wanderung (in Turnschuhen) hat sich gelohnt. Der Cuamasee ist eine wahre Augenweide. Die Tannen des anderen Seeufers spiegeln sich im grün-blauen, kalten Wasser. In der Mitte des Sees ist eine kleine Insel. Links vom Restaurant ist ein Bootssteg mit Pedalos, die man mieten kann. Für den Aufstieg zurück ins Dorf wählen wir die gemütlichere Variante. Eine kleine Standseilbahn, die man selbst starten kann, überwindet in wenigen Minuten 70 Höhenmeter. Den Rest des Weges müssen wir trotzdem laufen.
Um 08:45 Uhr sitzen wir auf den Motorrädern und fahren die steile Rampe der Einstellhalle hinauf. Flims verlassen wir in östlicher Richtung und folgen den Wegweiser nach Chur. Die Route bis zur Rofflaschlucht habe ich mir eingeprägt und so kann eigentlich nichts schief gehen. Sollte eigentlich nicht, kann aber doch. Nach Tamins folge ich nicht den Wegweiser nach Reichenau und Bonaduz, sondern halte mich links weiterhin Richtung Chur. Zuvor habe ich noch den Wegweiser nach Thusis gesehen und mit Absicht ignoriert, da wir keine Autobahn benutzen wollen. Wir fahren an den Ems-Werken vorbei und schon sehe ich eine Distanztafel nach Chur. Nur noch einige Kilometer. Da muss etwas faul sein. Rechts anhalten, Handy aus der Tasche nehmen und mittels Google Maps neu orientieren. OK, alles klar. Wieder 6 Kilometer zurück und dann bei Reichenau richtig abbiegen. Wir fahren durch bekannte Orte wie Bonaduz und Rhäzüns. In Thusis ist eine Umleitung via die Marktwiesenstrasse signalisiert, da die Innenstadt gesperrt ist. Die Viamala passieren wir ohne Stopp, da wir diese Schlucht auf der Rückfahrt besichtigen wollen. 40 Minuten nachdem wir nach den Ems-Werken gewendet haben, erreichen wir die Rofflaschlucht. Wir stellen unsere Bikes am Rande des Parkplatzes ab. Das Gepäck lasse ich auf dem Motorrad in der Annahme, dass im Graubünden nicht geklaut wird. Bevor wir uns in die Schlucht wagen müssen wir uns ein wenig stärken. Dominique mit einer Ovo (oder Milchschokolade) und ich mit einem heissen, schwarzen, ungesüssten Kaffee. Die Besichtigung der Schlucht kostet je 4 Franken. Ein kleiner Kostenfaktor, wenn man betrachtet, wie viele Stunden mit dem Handbohrer gearbeitet werden musste bis dieser kleine Weg in den Felsen geschlagen war. Am Ende der Schlucht tost ein Wasserfall von den Felsen runter. Der Weg führt unter dem Wasserfall vorbei noch etwa 2 Meter weiter. Wer die kleine Dusche mit Spritzwasser nicht scheut kann bis ganz ans Ende des Weges gehen und später sagen, ich bin unter dem Rhein ans andere Ufer gelaufen.
Auf dem Rückweg halten wir wie geplant bei der Viamala an. Tief unten in der Schlucht nagt der Fluss an den Steinen und gräbt sich immer tiefer in den Felsen. Ein Kunstwerk in der Felswand erinnert an frühere Zeiten, als die Säumer mit beladenen Maultieren durch die enge, gefährliche Schlucht ihre Waren transportierten.
Um den nächsten Pass zu erreichen müssen wir nun den Weg bis nach Thusis zurückfahren. Auf der Albulastrasse erreichen wir bald Tiefencastel und sehen auf der rechten Strassenseite das Hotel Albula & Julier, das wir von unserer Frühlingsausfahrt kennen. Auf einer schönen Bergstrasse fahrend erreichen wir nach 40 Minuten den Julierpass. Ein kurzer Fussmarsch bringt uns auf eine kleine Anhöhe mit einer herrlichen Aussicht.
Die Strasse zwischen Julier- und Albulapass kennen wir zum Teil bereits. Im Frühling sind wir in der Gegenrichtung gefahren. Auch jetzt im Herbst verzichten wir auf eine Shoppingtour in St. Moritz. Wir tragen Leder und keinen Pelz! Es ist erst 2 Uhr am Nachmittag und wir haben bereits einen weiteren Pass erreicht und auch schon einige wenige Fotos gemacht. Die Talfahrt ist geprägt durch eine Strasse ohne Mittellinie aber mit vielen, schön geschwungenen Kurven. Da die Strasse relativ schmal ist und die meisten Kurven nicht übersichtlich sind, ist die Geschwindigkeit unterhalb der gesetzlichen Limite.Bis nach Alveneu hat es nur wenige Spitzkehren und so sind wir trotzdem sehr rasch im Tal.
Auch die nun folgende Strecke kennen wir bereits. Neu sind einzig die vielen Baustellen und Rotlichter. Bei einem der Rotlichter überholen wir ein Auto, das bereits auf "Grün" wartet. Sobald die Ampel schaltet beschleunige ich und fahre in Richtung der Brücke. Leider habe ich beim Losfahren die kleinen Markierungen am Boden nicht gesehen und bin somit auf eine abgesperrte Brücke gefahren. Vor mir (etwa 5 Meter) klafft ein Loch und die Bauarbeiter schauen mich bloss verdutzt an. Dominique und ich wenden schnell unsere Motorräder und fahren zurück zur Ampel. Für uns kein Problem. Mehr Schwierigkeiten hat der Automobilist. Er kann nicht wenden sondern muss alles rückwärtsfahren. Nun haben wir logischerweise ein wenig mehr Zeit benötigt um die einspurige Strecke mit Hilfsbrücke zu passieren. So kommt es wie es kommen muss. Bevor wir das Ende der einspurigen Strecke erreichen rollt der Gegenverkehr an. Kein Problem, mit dem Motorrad können wir mühelos kreuzen.
In Davos nehmen wir die Abzweigung Richtung Flüelapass. Bevor wir auf die Passtrasse kommen stoppt uns wieder einmal eine Ampel an der Baustelle. Nicht nur das Negative sehen. Wir können die Kolonne überholen und haben nun freie Fahrt auf den Pass. Einzig auf Murmeltiere müssen wir achten. Wir wollen ja keines dieser putzigen Tiere an- oder überfahren. Wir erreichen den Pass um 15:45 Uhr. Mir fällt auf, dass der Kiosk geschlossen ist. Beim Kaffee auf der Terrasse erfahre ich, dass Iris 15 Minuten zuvor den Kiosk geschlossen hat und bereits wieder ins Tal gefahren sei. Schade, zwei Mal in diesem Jahr auf der Flüela, Iris zwei Mal verpasst. Nun, ich rauche noch eine Zigarette bevor wir talwärts fahren wollen. Mein Feuerzeug funktioniert leider nicht (Höhenproblem?) und so frage ich die Serviceangestellte ob sie Streichhölzer habe. Sie schenkt mir gleich eine ganze Schachtel. Unser ursprüngliches Tagesziel ist nur noch 15 Minuten entfernt (Susch) und wir noch überhaupt nicht müde. Wir suchen einen alternativen Ort und finden diesen (inkl. dem passenden Hotel) ins Santa Maria im Münstertal. Also, heute noch einen weiteren Pass (Ofenpass) und anschliessend bis zum Fusse des Umbrailpasses. Auf dem Ofenpass halten wir nur ganz, ganz kurz an um ein paar Fotos zu schiessen und (einmal mehr) meine müden, alten Muskeln und Knochen zu lockern. Das Hotel in Santa Maria ist sehr einfach zu finden. Dürfte auch an dem Umstand liegen, dass dieses Dorf ziemlich klein ist. Ich folge dem Wegweiser zum Hotelparkplatz, der seitlich des Hotels unter einer geschwungen Maueröffnung in einen Innenhof führt. Einige Gäste haben die Gartentische verschoben und so müssen wir fast zwischen Stuhl und Bank zirkeln um den Parkplatz zu erreichen. Vorerst stellen wir die Motorräder einfach ganz hinten an eine Mauer, da sie hier am wenigsten Platz einnehmen und die spärlich zur Verfügung stehenden Parkplätze belasten. Der Hotelmanager begrüsst uns persönlich und erlaubt uns die Motorräder in seiner Garage zu parkieren. Ich drücke Dominique meinen Schlüssel in die Hand damit er das Umparkieren erledigen kann.In der Zwischenzeit erledige ich das Administrative an der Rezeption. Zwei Schlüssel werden mir ausgehändigt. Richtige Schlüssel, mit einem Schlüsselanhänger schwer wie ein Mühlstein. Ein Zimmer hat die Nummer 2, das andere die Nummer 7. Endlich alles erledigt und Dominique ist zurück und hat die Töffs sicher parkiert. Ich fordere ihn auf eine Zahl zwischen 1 und 10 zu benennen. Überraschung, Dominique sagt 7 und bekommt somit Zimmer 7. Keine Hexerei, bloss normale Kenntnis der Psychologie. Sage eine Zahl zwischen 1 und 10. In 80% der Fällen wird 3 oder 7 genannt. Hätte Dominique 3 gesagt, hätte er Nummer 2 bekommen mit der Bemerkung "Nahe daran".
Frisch geduscht erforschen wir das Dorf noch ein wenig auf Schusters Rappen. Links die Strasse rauf ist eine Tankstelle. Die einzige in dem Ort. Weiter entdecken wir eine Bäckerei mit Tea-Room, einen kleinen Fluss mit einem Wasserrad, das mehr als Dekorationszwecken gebaut wurde. Wir laufen nun zur anderen Seite des Dorfes und finden die "The Smallest Whisky Bar on Earth" mit eigener Single Malt Whisky Brennerei. Im Laden werden 300 Sorten Whisky aus aller Welt angeboten. Somit haben wir schon fast alles in diesem Dorf gesehen und es wird Zeit um etwas zu essen. Noch wird beim Hotel der Innenhof von der Sonne beschienen und wir können es wagen draussen zu essen. Die Temperaturen sinken jetzt langsam und sobald die Sonne unseren Tisch nicht mehr erreicht fühlen wir, dass es 1. Herbst ist und 2. wir auf fast 1400 Meter sind. Es wird kühl. Auf dem Zimmer telefoniere ich noch mit Anita, schaue mir die Nachrichten im TV an und schlafe bald ein.

Rofflaschlucht 1102 m.ü. M
Gedenktafel Christian Pitschen Enge Schlucht, ganz enger Weg Wasserfall vom Hinterrhein Freie Sicht aus dem "Fenster"
Viamala 870 m.ü. M
Tief unten der Hinterhein Sonnenstrahlen finden den Weg in die Schlucht Kein Ort für Klippenspringer Ausichtspunkt der "Grand Tour of Switzerland"
Julierpass 2284 m.ü. M
Fliessend geschwungene Kurven Zu Fuss zum Aussichtspunkt 180-Grad-Kehre kurz vor Hospiz
Albulapass 2312 m.ü. M
Bündnerseite des Albulapasses Gasthof Albula Hospiz Modische Wanderkleidung
Flüelapass 2383 m.ü. M
Nicht unbedingt zum Baden Parkplatz am Nachmittag gut besetzt Dominique, die Hosen folgen der Schwerkraft
Ofenpass 2155 m.ü. M
Keine Wolke am Himmel Es gibt doch Bären in Bündnerland Blick ins Münstertal
Santa Maria im Münstertal 1385 m.ü. M
Blick von meinem Balkon Erinnerung an die Frontline auf dem Umbrailpass im 1. Weltkrieg Bündnerhaus
Route von Flims nach Santa Maria im Münstertal (inkl. Besichtigung Rofflaschlucht und Viamala)
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